Die kleine Maria sitzt konzentriert am Küchentisch und formt vorsichtig den Kopf ihrer ersten Egli Figur. Mit den Fingern glättet sie den weichen Ton, während ihre Großmutter daneben die biblische Geschichte von David und Goliath erzählt. Diese Szene wiederholt sich in unzähligen Familien, Kindergärten und Gemeinden – denn Egli Figuren schaffen eine einzigartige Verbindung zwischen kreativem Gestalten und spirituellem Erleben.

Benannt nach ihrer Erfinderin Margrit Egli-Näf, haben sich diese ausdrucksstarken Stoffpuppen seit den 1960er Jahren zu einem beliebten Medium der religiösen Bildung entwickelt. Ihre besondere Ausstrahlung entsteht durch die Kombination aus weichen Materialien und den charakteristisch schlichten Gesichtszügen, die Raum für eigene Interpretationen lassen.

Die richtige Materialauswahl für authentische Egli Figuren

Der Erfolg beim Figurenbau beginnt bereits bei der Materialwahl. Hochwertiger Modellton bildet das Herzstück jeder Egli Figur – er sollte fein strukturiert und gut formbar sein, ohne beim Trocknen zu reißen. Viele erfahrene Bastler schwören auf Primo-Modelliermasse, die sich besonders geschmeidig verarbeiten lässt und nach dem Aushärten eine glatte Oberfläche erhält.

Für die Gewandung eignen sich natürliche Stoffe wie Baumwolle, Leinen oder dünne Wolle am besten. Diese Materialien fallen natürlich und lassen sich gut drapieren. Vermeiden Sie synthetische Stoffe, da diese oft zu steif wirken und die charakteristische Weichheit der Egli Figuren beeinträchtigen. Seide eignet sich hervorragend für besondere Gewänder, etwa für Könige oder Priester, da sie einen edlen Glanz verleiht.

Das Innenleben der Figur besteht traditionell aus einem Drahtgestell, das mit Watte oder Schafwolle umwickelt wird. Blumendraht in mittlerer Stärke bietet die optimale Balance zwischen Stabilität und Biegsamkeit. Für die Befestigung der Gewänder benötigen Sie außerdem Nähgarn in Hautton sowie kleine Sicherheitsnadeln für temporäre Fixierungen während der Arbeit.

Kopf und Gesicht modellieren: Der Ausdruck macht’s

Die Gestaltung des Kopfes erfordert besondere Aufmerksamkeit, da hier der Charakter der Figur entsteht. Beginnen Sie mit einer etwa tischtennisballgroßen Kugel aus Modelliermasse. Diese wird zunächst zwischen den Handflächen gerollt, bis eine gleichmäßig runde Form entsteht. Anschließend drücken Sie mit dem Daumen eine kleine Mulde für die Augenhöhlen.

Die Augen werden nur angedeutet – meist genügen zwei kleine Vertiefungen oder winzige Punkte. Diese Zurückhaltung ist charakteristisch für Egli Figuren und ermöglicht es dem Betrachter, eigene Emotionen in die Figur hineinzusehen. Die Nase formt sich durch sanftes Andrücken eines kleinen Tonwulstes, während der Mund oft ganz weggelassen oder nur als hauchfeine Linie angedeutet wird.

Besonders wichtig ist die Kopfform im Profil. Egli Figuren haben typischerweise einen leicht nach hinten geneigten Kopf, was ihnen eine meditative, nach innen gekehrte Ausstrahlung verleiht. Arbeiten Sie mit einem kleinen Modellierwerkzeug oder einem Zahnstocher die feinen Details heraus, aber übertreiben Sie nicht – weniger ist bei Egli Figuren definitiv mehr.

Haare gestalten: Natürlichkeit schaffen

Für die Haarpracht eignen sich verschiedene Materialien. Schafwolle lässt sich wunderbar zu lockigen Frisuren verzupfen, während glatte Baumwollgarne für schlichte Scheitel sorgen. Bei biblischen Figuren sind oft längere, fließende Haare gewünscht – diese entstehen durch das vorsichtige Aufkleben dünner Wollstränge mit Textilkleber.

Experimentieren Sie mit verschiedenen Farbtönen: Naturbraun, Grau oder sogar Weiß für weise Figuren. Wichtig ist, dass die Haarfarbe zum Gesamtcharakter der Figur passt und nicht zu dominant wirkt.

Körperaufbau und Proportionen: Stabilität mit Beweglichkeit verbinden

Das Drahtgestell bildet das Skelett der Egli Figur und bestimmt ihre spätere Haltung. Für eine etwa 30 Zentimeter große Figur benötigen Sie circa einen Meter Blumendraht. Beginnen Sie mit der Wirbelsäule – einem geraden Drahtstück, das vom Hals bis zur Hüfte reicht. Daran befestigen Sie die Arme und Beine als separate Drahtstücke.

Die Proportionen folgen einem bewährten Schema: Der Kopf macht etwa ein Achtel der Gesamtgröße aus, der Rumpf drei Achtel und die Beine die Hälfte. Diese Proportionen wirken harmonisch und entsprechen dem klassischen Egli-Stil. Achten Sie darauf, dass die Figur auch ohne Gewandung stabil stehen kann.

Das Umwickeln des Drahtgestells erfordert Geduld. Watte oder Schafwolle wird spiralförmig um jeden Drahtabschnitt gewickelt und mit dünnem Nähgarn fixiert. Besonders an den Gelenken – Schultern, Ellbogen, Hüfte und Knie – sollte die Polsterung etwas dicker ausfallen, um natürliche Körperformen zu schaffen.

Die Hände bleiben meist sehr stilisiert. Oft genügen zwei kleine Wattekugeln, die an den Armenden befestigt werden. Bei Figuren, die etwas halten sollen – etwa einen Hirtenstab oder eine Rolle – können Sie die Hände entsprechend formen und das Objekt bereits während des Baus integrieren.

Gewandgestaltung: Stoffe zum Leben erwecken

Die Kleidung verleiht jeder Egli Figur ihre individuelle Identität. Beginnen Sie mit einem einfachen Untergewand aus hellem Baumwollstoff – dies bildet die Basis und verhindert, dass die Polsterung durchscheint. Das Untergewand wird direkt am Körper befestigt und sollte eng anliegen.

Über das Untergewand kommt das eigentliche Hauptgewand. Hier können Sie Ihrer Kreativität freien Lauf lassen: Wallende Roben für biblische Patriarchen, einfache Kittel für Hirten oder prachtvolle Gewänder für Könige. Wichtig ist, dass der Stoff natürlich fällt und nicht zu steif wirkt.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Ärmel. Sie sollten weit genug sein, um die Armbewegungen nicht zu behindern, aber nicht so weit, dass sie unnatürlich abstehen. Ein bewährter Trick: Schneiden Sie die Ärmel etwas zu lang und raffen Sie sie an den Handgelenken – das erzeugt natürliche Falten und verleiht der Figur mehr Lebendigkeit.

Für Accessoires wie Gürtel, Umhänge oder Kopfbedeckungen eignen sich kontrastierende Materialien. Ein Ledergürtel aus dünnem Kunstleder, ein Umhang aus andersfarbigem Stoff oder ein Kopftuch aus Seide können das Erscheinungsbild der Figur entscheidend prägen.

Farbpsychologie bei der Gewandwahl

Die Farbwahl transportiert Emotionen und Bedeutungen. Weiß steht für Reinheit und wird oft bei Engeln verwendet, Blau symbolisiert Treue und findet sich häufig bei Maria-Darstellungen. Rot kann sowohl königliche Würde als auch Martyrium ausdrücken, während Braun und andere Erdtöne Bescheidenheit und Naturverbundenheit vermitteln.

Achten Sie darauf, nicht zu viele verschiedene Farben in einer Figur zu kombinieren. Meist wirken zwei bis drei aufeinander abgestimmte Töne harmonischer als ein buntes Durcheinander. Goldene Akzente durch dünne Borten oder kleine aufgenähte Perlen können besonderen Figuren zusätzliche Würde verleihen.

Spezielle Techniken für verschiedene Figurentypen

Jeder Figurentyp bringt seine eigenen Herausforderungen mit sich. Engelsfiguren benötigen beispielsweise Flügel, die sowohl ästhetisch ansprechend als auch stabil befestigt sein müssen. Hierfür eignet sich steifer Filz oder dünner Karton, der mit Stoff überzogen wird. Die Flügel werden am Rücken der Figur befestigt und sollten proportional zur Körpergröße stehen.

Hirtenfiguren erhalten ihre Charakteristik durch rustikale Details: Ein kleiner Hirtenstab aus einem dünnen Zweig, eine einfache Umhängetasche aus grobem Leinen oder sogar ein winziges Schaf als Begleiter. Diese Details entstehen oft als separate kleine Projekte und werden anschließend an der Figur befestigt.

Königsfiguren verlangen nach prächtigen Gewändern und Insignien der Macht. Eine kleine Krone lässt sich aus Golddraht biegen und mit winzigen Perlen verzieren. Der Umhang sollte aus edlerem Material bestehen – Seide oder Samt verleihen die nötige Würde. Ein Zepter aus einem dünnen Holzstäbchen mit aufgesetzter Goldperle komplettiert die königliche Erscheinung.

Besondere Aufmerksamkeit erfordern Tierfiguren im Egli-Stil. Schafe, Esel oder Kamele folgen anderen Proportionsregeln als menschliche Figuren. Hier hilft es, zunächst die Grundform aus Draht zu biegen und dann schrittweise mit Watte zu umhüllen. Das Fell entsteht durch aufgeklebte Wollbüschel, die in mehreren Schichten aufgetragen werden.

Pflege und Aufbewahrung: Egli Figuren dauerhaft erhalten

Selbstgemachte Egli Figuren sind kleine Kunstwerke, die bei richtiger Pflege jahrzehntelang ihre Schönheit bewahren. Die größte Gefahr für die Figuren geht von Staub und Feuchtigkeit aus. Bewahren Sie Ihre Figuren in einer trockenen Umgebung auf, idealerweise in einem Schrank oder einer Vitrine.

Zur Reinigung eignet sich ein weicher Pinsel, mit dem Sie vorsichtig Staub von den Gewändern entfernen. Bei stärkeren Verschmutzungen können einzelne Kleidungsstücke abgenommen und gewaschen werden – ein Vorteil der abnehmbaren Gewandung. Der Tonkopf lässt sich mit einem leicht feuchten Tuch abwischen, sollte aber niemals unter fließendes Wasser gehalten werden.

Für die Aufbewahrung zwischen den Verwendungen eignen sich flache Kisten mit weicher Auspolsterung. Legen Sie jede Figur einzeln in Seidenpapier ein und sorgen Sie dafür, dass sich die Gewänder nicht verknittern. Besonders empfindliche Figuren mit aufwendigen Frisuren oder zerbrechlichen Accessoires sollten stehend aufbewahrt werden.

Bei längerer Lagerung empfiehlt es sich, die Figuren gelegentlich zu kontrollieren und gegebenenfalls lose Teile nachzubefestigen. Mit dieser sorgfältigen Behandlung werden Ihre selbstgemachten Egli Figuren zu bleibenden Erinnerungsstücken, die von Generation zu Generation weitergegeben werden können und dabei stets neue Geschichten erzählen.

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